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Wie wir Joseph aufgefunden haben

Strassenkinder wie der rechts im Bild stehende Joseph haben ein kinderwürdiges Leben verdient. Beim genaueren Betrachten wird uns allen klar, dass der neunjährige Junge noch einen grossen Schritt davon entfernt ist. Wir möchten diesen mit ihm gehen und Joseph auf seinem Lebensweg begleiten.

Damit wir Joseph und alle weiteren Strassenkinder Antananarivos nachhaltig unterstützen können, brauchen wir vorerst mehr Informationen über ihre aktuelle Lebenssituation. Aus diesem Grund haben Nomena und ich insgesamt 200 obdachlose Kinder in 8 Viertel unserer Hauptstadt interviewt. Uns in Madagaskar ist wichtig, dass sich Menschen in der Schweiz und überall auf der Welt vorstellen können, wie es Strassenkindern ergeht. Darum möchten wir hier unsere Erlebnisse mit euch teilen.

Gefahrenzone Anosibe und Andavamamba

Die beiden Viertel zählen zu den gefährlichsten Antananarivos. Zusammen bilden sie einen Stadtteil, den wir weitaus lieber verlassen als betretet. Abgeschirmt von der Zivilisation leben hier zahlreiche obdachlose Menschen. Viele davon sind Kinder. Wegen den miserablen Lebensbedingungen sterben ihre Eltern oftmals vordem 40. Altersjahr. Darum gruppieren sich einige Strassenkinder zu einer Gang. Dies gewährt ihnen Schutz vor sexuellen Vergewaltigungen und der Gefahr, ermordet zu werden.

Genauso unwohl fühlen auch wir uns, als wir die Strasse in Anosibe hinter uns lassen. Ehrlich gesagt würden wir uns niemals freiwillig hier aufhalten. Doch für unsere Projekte ist es das Risiko wert! 

Schon nach kurzer Zeit begegnen uns Annicha (5) und Nirina (11). Sie haben notdürftige Hütten aus Tüchern und Blachen aufgebaut. Für die Beiden ist es die einzige Möglichkeit, sich vor Wind, Sonne und leichtem Regen zu schützen. Starke Gewitter jedoch können alle Hütten auf einmal zerstören – ein Zuhause, das seinem Namen keine Würde trägt.

Annicha abgebildet vor den Blachen, die sie ihr Zuhause nennt. Sie und Nirina haben noch nie in ihrem Leben ein Klassenzimmer von innen gesehen und können weder Lesen noch Schreiben.

«Ich möchte, dass jedes Kind in die Schule gehen kann»

Antwortet Nirina auf die Frage, was sie in diesem Augenblick in Madagaskar verändern würde. Eine schöne Vision, die wir mit ihr teilen. Sie selbst hat wie Annicha noch niemals den Schulunterricht besucht. Zu teuer ist es für ihre Eltern, das nötige Schulmaterial anzuschaffen. Zudem könne sie in dieser Zeit auf den Strassen um Geld betteln. Nirina erzählt uns wie sie davon träume, zur Schule gehen zu können. Sie möchte intelligent werden und als Hausfrau arbeiten.

In dieser einfachen Hütte (über)lebt Nirina zusammen mit ihren dreissigjährigen Eltern.

Für madagassische Strassenkinder ist es alles andere als selbstverständlich, mit den eigenen Eltern aufzuwachsen. Nur 66 von 200 befragten Kinder leben mit ihren Eltern zusammen. Eine erschreckende Zahl, wenn wir uns vor Augen führen, dass das Durchschnittsalter der befragten Kinder knapp 10 Jahre beträgt.

Alleine an diesem Tag haben wir im Weiteren Andoniaina Anita, Marceline, Nantenaina,Prisca, Rivo, Safidy, Salohy, Tolotra und zu guter letzt Joseph interviewt. Sie alle reflektieren die miserablen Lebensbedingungen. Umso wichtiger ist es für uns, ihnen baldmöglichst eine sichere und nachhaltige Zukunft zu ermöglichen.

Nomena und ich stammen aus Madagaskar und befinden uns auf der linken Seite des Bildes. Wir leben seit unserer Geburt in der Hauptstadt Antananarivo.

Nomena studiert Soziale Arbeit und unterrichtet ehrenamtlich Waisenkinder im Kinderdorf ihrer Tante Nina. Ich bin selbständig, unterrichte nebenbei Strassenkindern und leite unsere Projekte in Madagaskar. Für unsere Aufnahmen haben wir den madagassischen Fotograf Harry Tiana Teddy eingebunden. Die Fotos haben uns umgerechnet 26.50 Franken gekostet. Ich habe sie aus meiner eigenen Tasche bezahlt, weil es bei unseren Projekten weder um uns noch um unsere finanziellen Interessen geht.

geschrieben von Fitahiana Rahetimazava Ramangamihanta und übersetzt von Fabio Müller

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